Alles, was das Narrenherz begehrt

Foto © Helmut Pfeifer
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Zum 38. Mal hatte der Musikverein zur großen Rauenberger Prunksitzung eingeladen

Rauenberg. (oé) Vier Stunden lang ging es Schlag auf Schlag bei der 38. Prunksitzung des Musikvereins. Wäre das traditionsreiche Spektakel nicht zweimal ausgefallen (beim Golfkrieg 1991 und beim Umbau der Kulturhalle) – man hätte dieses Jahr sogar eine Jubiläumssitzung feiern können. Aber so frisch, unverbraucht und publikumswirksam wie sie ist, wird die Rauenberger Prunksitzung gewiss ihre 40. Auflage erleben und noch viele, viele mehr. Am Samstag jedenfalls versammelten sich wieder rund 350 bunt kostümierte Jecken in der fastnachtlich dekorierten Kulturhalle, um sich vom souveränen Zeremonienmeister Carsten Wipfler durch ein Programm führen zu lassen, das alles bot, was das Narrenherz begehrt: spektakuläre Show- und Gardetänze, Schunkelrunden und Stimmungsmusik der Band „VIP-Club“ und natürlich Büttenreden voller Lokal-Spitzen und Kokolores. Programmdirektor Oliver Zeeb hatte alles perfekt arrangiert, angefangen beim Einzug des Prinzenpaars unter den fetzigen Klängen des Fanfarencorps bis hin zum großen Finale, bei dem alle Aktiven noch einmal auf die Bühne kamen, um sich vom begeisterten Publikum feiern zu lassen. Dazwischen gab es „Raketen“ noch und nöcher und Zugaben am laufenden Band.

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Den Startschuss zu dem Spektakel gab Prinzessin Anna I., die kurzerhand Prinz Benny (der hatte die „Männergripp“) gegen Prinz Laurin getauscht hatte. Beide Majestäten fühlten sich in ihrer Rolle sichtlich wohl: „Einmal Prinzenpaar in diesem Verein, das wollten wir schon immer sein“, verkündeten sie und erhoben das Glas auf die tollen Tage. Die erleben in Rauenberg bei der Seniorensitzung am Freitag und dem Rathaussturm am Samstag zwei weitere Höhepunkte. „Wir wären schwer begeistert, wenn ihr alle den Weg zum Rathaus meistert“, reimten die Tollitäten. Dass auch der Rathaus-Chef schon in Fastnachtsstimmung ist, machte Peter Seithel in seinem Grußwort deutlich. Sein Thema waren die vielen Staus rund um Rauenberg. „Das Leben ist gewiss nicht heiter, stehst du im Stau und kommst nicht weiter“, reimte er und feuerte dann eine ganze Breitseite an Witzen ab. Das war die richtige Einstimmung für den ersten Gardetanz, dargeboten von den Minis.

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Überhaupt stand dieser erste Programmteil im Zeichen der Garden. Das begann mit dem Einmarsch des Prinzenpaars, setzte sich mit den Auftritten der Mini- und Juniorengarde fort und gipfelte in einem mitreißenden Showtanz. Die Mädchen und jungen Damen fegten wie ein Wirbelwind über die Bühne, zeigten akrobatische Einlagen wie Rad, Spagat und Pyramide und tanzten in synchroner Formation zu den Klängen der Musik. Das Publikum war hingerissen, forderte Zugaben und ließ Raketen steigen. Erst recht beim gemeinsamen Showtanz von Mini-, Junioren- und Prinzengarde, der sich einem ernsten Thema widmete: dem Klimawandel und „der Erhaltung unseres wunderbaren Planeten Erde“, wie Andrea Stier, die „Mutter der Garden“, eingangs erläutert hatte. Denn: „Wir haben ja nur diese eine Welt.“ Das machten die Tänzerinnen in ihren prächtigen Kostümen und mit ausdrucksstarken Bewegungen allen deutlich. Hier wie bei den anderen Tänzen hatten die Trainerinnen Sarah Teich (Mini- und Juniorengarde) und Nicole Kachler (Prinzengarde) alles perfekt einstudiert und wurden von Publikum und Garden gleichermaßen mit Beifall überschüttet.

Bei so viel Anmut hat es das „starke Geschlecht“ naturgemäß schwer. Trotzdem schlugen sich die „Herren der Schöpfung“ in ihrem Männerballett wacker. Aber irgendwie muss etwas schiefgegangen sein, als sie in ihre Trikots schlüpften, hatte doch eine Unterhose zwei Besitzer. Wenn sie ihre stoische Tanznummer trotzdem unfallfrei über die Bühne brachten, dann lag das sicher an Trainerin Heike Schopf.

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Dazwischen war immer wieder Platz für Nonsens und Kokolores der heitersten Art. „Eisbrecher“ Kai Pfeiffer aus Bad Schönborn etwa erzählte ein paar Schwänke aus seinem Eheleben und zog am Ende das lapidare Fazit: „Welcher Mann wird jemals schlau, aus der Logik eine Frau.“ Ganz anders Rauenbergs Fastnachts-Urgestein Karlheinz Hartmann, der bei allen 38 Prunksitzungen auf der Bühne stand, meist (wie auch diesmal) sogar mehrfach. Heuer stimmte er in seiner Bütt als fröhlicher Zecher ausgerechnet in der Weinstadt ein Hohelied auf den Biergenuss an. Die viel besungenen geselligen, gesundheitlichen und amourösen Qualitäten des Weins? Papperlapapp. „Des alles isch en alter Hut. Mit Bier geht des genauso gut“, fand der Ur-Fastnachter.

Nach der kurzen Pause war Karlheinz Hartmann schon wieder dran. Diesmal im Duett mit Rolf Sautner als stimmgewaltige Sänger der „Scheierborzler“, die als fetzige Blaskapelle unter ihrem „Wald-und-Wiesen“-Dirigenten Kai Spannagel einen Stimmungshit nach dem anderen schmetterten und so die ganze Halle zum Mitsingen brachten. Beim „Anton aus Tirol“ bekam die muntere Truppe sogar Verstärkung: in Gestalt von Sängerin „Antonia“ alias Selina Stier.

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Unterbrochen nur vom großartigen Gardetanz der Prinzengarde mit einer atemberaubenden Schlusspyramide standen dann zwei Traditions-Nummern der Rauenberger Fastnacht auf der Bühne: Anja Bieberle und Christian Wirth und die beiden „Straßenkehrer“ Alexander und Gregor Wipfler. In altbewährter Weise boten sie Humor „quer durch den Gemüsegarten“, mischten echten Kokolores mit etwas Schlüpfrigem zwischendurch, glossierten munter das Ortsgeschehen und blickten auch mal über den Tellerrand hinaus. Zum Beispiel nach Mühlhausen, wo Bürgermeister Spanberger gerade wiedergewählt worden ist. Der wird auch noch weitere Wahlen gewinnen, prophezeiten Anja Bieberle und Christian Wirth. Denn: „Wer will schon eine Karriere in Mühlhausen beginnen“. Die beiden Straßenkehrer mokierten sich hingegen über den Wieslocher Gemeinderat, wo die eine Hälfte gut mitarbeitet und die andere Hälfte schläft. Ein Glück nur, dass es in Rauenberg umgekehrt ist. Dort gibt es neuerdings dreilagiges Klopapier im Rathaus. Kein Wunder, brauchen die doch „für jeden Sch... drei Durchschläge.“

Dann hieß es Bühne frei für die Tanzgruppe „Showpearls“ aus Odenheim, Pardon Österreich, nein Östringen. Conferencier Carsten Wipfler hatte die Geografie etwas durcheinandergebracht, reagierte aber schlagfertig: „Dafür dürft ihr mich jetzt als Dielemer bezeichne.“ Das alles spielte aber keine Rolle mehr, denn zu den Klängen von „Major Tom“ gingen die Astronauten und Außerirdischen aus Östringen auf eine galaktische Reise – ein absoluter Höhepunkt zum Schluss.

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Das Fanfarencorps unter Hans-Peter Menges läutete schließlich das große Finale ein, nachdem zuvor (wie den ganzen Abend) die dienstbaren Geister vor, hinter und auf der Bühne ihre Orden empfangen hatten. Wieder eine rundum gelungene Prunksitzung also. Wenn es einen kleinen Wermutstropfen gegeben hat, dann war es der Geräuschpegel in der Halle, gegen den vor allem die Büttenredner unverdrossen ankämpfen mussten. Aber das Publikum machte es wieder gut, indem es zum Trost die eine oder andere Zusatz-Rakete steigen ließ.

Mit freundlicher Genehmigung der RNZ.